Im Gespräch mit Peter Hammarstedt
Der antarktische Kontinent wird von einem internationalen Abkommen vor Ausbeutung geschützt. Aber das ihn umgebende Südpolarmeer zählt zu den internationalen Gewässern. Weil es deshalb viel weniger Regeln als in nationalen Hoheitsgebieten gibt, boomt zurzeit die kommerzielle Krillfischerei.
Sea Shepherd kämpft seit vielen Jahren für dem Schutz des fragilen antarktischen Ökosystems. Gemeinsam mit Kapitän Peter Hammarstedt, Director of Campaigns bei Sea Shepherd, blicken wir zurück auf die wichtigsten Kampagnen und ihre Erfolge – und klären die Frage, warum Sea Shepherd trotz allem wieder Kurs auf die Antarktis nimmt.
Peter Hammarstedt
Er ist Director of Campaigns bei Sea Shepherd Global und setzt sich seit 20 Jahren für den Schutz der Ozeane ein. 2014/15 verfolgte er mit der „Bob Barker“ den illegalen Fischtrawler „Thunder“. 2016 erhielt er die „Winsome Constance Kindness Gold Medal for Humanitarian Service.“
Krill
Krill ist ein entscheidender Bestandteil der Nahrungskette und reduziert Treibhausgase, indem er kohlenstoffhaltige Algen konsumiert und das CO2 in einer für den Klimawandel harmlosen Form wieder ausscheidet. Die Krebstiere werden zu Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln und Futterergänzung für Lachsfarmen verarbeitet - obwohl es pflanzliche Alternativen gibt.
Die Jagd nach Walfängern
Die Antarktis und die Umweltschutzorganisation Sea Shepherd haben eine lange und zum Teil lautstarke Geschichte. Über ihre Methoden kann man streiten, doch ihre Erfolge können sich sehen lassen. „15 Jahre lang haben wir japanische Walfänger in der Antarktis gejagt. Dann haben die Regierungen von Australien und Neuseeland die japanische Regierung angeklagt und der internationale Gerichtshof entschied, dass Walfang in der Antarktis illegal ist. Wir haben also dafür gesorgt, dass es dort keinen Walfang mehr gibt.“ Dieses Urteil wurde 2014 ausgesprochen und darauf ist Peter Hammarstedt noch immer stolz.
Seit 1986 gilt zwar das internationale Walfangabkommen, doch in der Antarktis hatte niemand dafür gesorgt, dass es auch wirklich eingehalten wurde. Mit Ausnahme von Sea Shepherd: Sie störten die Walfänger bei ihrer Arbeit, indem sie ihre Harpunen abfingen oder sie daran hinderten, ihre Beute an Deck zu bringen. Doch auch ohne die Walfänger lauerten in der Antarktis noch weitere Gefahren. Also nahmen sich die Umweltschützer'innen als nächstes die Fangschiffe vor, die es mit gewaltigen Stellnetzen und ohne Genehmigung auf den Schwarzen Seehecht und den Riesen-Antarktisdorsch im südlichen Ozean abgesehen hatten.
Chasing the Thunder
110 Tage lang jagten die Aktivist'innen von Sea Shepherd die „Thunder“, den wohl berüchtigtsten Trawler von allen. Bis dessen Kapitän das Schiff vor ihren Augen versenkte. Langjährige Fans der International OCEAN FILM TOUR werden sich an die spannende Doku „Chasing the Thunder“ aus dem Jahr 2018 erinnern. Und auch Peter Hammarstedt denkt gerne an diese Kampagne zurück: "Unsere Aktion sorgte für ein gewaltiges Medieninteresse - was dazu führte, dass die Regierungen weltweit auch die fünf Schwesterschiffe der „Thunder“ aus dem Verkehr zogen. Wieder einmal hatten wir den illegalen Fischern das Handwerk gelegt."
Wieder einmal hatten wir den illegalen Fischern das Handwerk gelegt.
Peter Hammarstedt
Illegale Trawler
In den Jahren danach patrouillierte die Sea-Shepherd-Flotte verstärkt vor der afrikanischen Westküste. Hier ging es ebenfalls darum, den illegalen Trawlern Grenzen aufzuzeigen und gleichzeitig den Fischern vor Ort eine Chance zu geben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
„Ein einheimischer Fischer sagte einmal zu mir: ,Wenn das große Boot kommt, gehen die Trawler weg'. Und damit meinte er unser Schiff", sagt Peter Hammarstedt. Aussagen wie diese bestätigen ihn in seiner Arbeit bei Sea Shepherd – und das schon seit 20 Jahren: "Ich bin zu Sea Shepherd gekommen, weil es mir um sichtbare Resultate ging. Und Sea Shepherd war eine Organisation, die sich auf Resultate fokussierte."
Sea Shepherds Weg
Seit ihrer Gründung im Jahr 1977 hat sich Sea Shepherd nie als reine Protestorganisation verstanden, sondern immer als Organisation der Direkten Aktion. Das heißt: Sie wollten Wilderei und die Zerstörung von Lebensräumen aktiv verhindern. Die Methoden, die sie dabei anwandten, wurden von anderen Umweltschutzorganisationen kritisiert. Allein zehn versenkte Walfangschiffe zwischen den Jahren 1979 und 1998 gehen auf das Konto von Sea Shepherd. Das ist jetzt 26 Jahre her. Genug Zeit, um das eigene Handeln zu überdenken.
„In der Vergangenheit waren wir sehr engstirnig. Wir haben uns zum Beispiel ausschließlich für die Wale in der Antarktis eingesetzt, oder für die Robben in Kanada. Mittlerweile geht es uns darum, ganze Ökosysteme zu schützen“, sagt Peter Hammarstedt. Inzwischen will Sea Shepherd den Faktor Mensch auch nicht mehr außer Acht lassen: „Wir haben verstanden, dass unsere Aktionen einen Einfluss auf die Menschen vor Ort haben und dass sie auch einen Nutzen davon haben müssen. Umweltschutz ist immer noch unser primärer Fokus, aber wir retten inzwischen mehr Tiere als jemals zuvor und helfen gleichzeitig Menschen in wehrlosen Ländern.“
Diese Haltung kommt Sea Shepherd auch in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen zugute. „Vor unserer Jagd auf die „Thunder“ waren wir bei keiner anderen NGO oder bei Regierungen willkommen“, erinnert sich Peter Hammarstedt. „Wir waren der Dinnergast, den keiner eingeladen hatte. Aber jetzt sitzen wir mit am Tisch und die anderen Leute erkennen an, dass wir etwas bieten, was sonst keiner bieten kann.“
Aktuelle Kampagnen
Der Kampf gegen den illegalen Fisch- und Walfang, in der Antarktis und vor der afrikanischen Westküste ist nur ein kleiner Teil der weltweiten Sea-Shepherd-Aktionen. Zwölf Schiffe sind derzeit im Einsatz, zwölf Mitarbeiter'innen koordinieren die Einsätze vom Land aus. Die meisten Aktivist'innen engagieren sich allerdings freiwillig, entweder bei der Dachorganisation Sea Shepherd Global oder bei den lokalen Ortsgruppen, wie zum Beispiel dem eingetragenen Verein Sea Shepherd Deutschland. So stellt die NGO sicher, dass die Spenden nicht von einem riesigen Verwaltungsapparat verschlungen werden, sondern auch wirklich den Kampagnen zugutekommen.
Mit ihrer aktuellen Kampagne, die im Mittelpunkt des Films „The Return to Antarctica“ steht, will Sea Shepherd einige der kleinsten Meeresbewohner des Südpolarmeeres schützen: den Antarktischen Krill. Diese kleinen Krebstiere sind ein essenzieller Bestandteil des dortigen Ökosystems. Sie sind nicht nur die Hauptnahrungsquelle für Wale, Pinguine und Robben, sondern entfernen auch Treibhausgas aus der Atmosphäre.
Krillfischerei ist in den meisten nationalen Gewässern verboten, doch in der Antarktis wird sie im großen Stil betrieben – ganz legal. Sea Shepherd möchte genau dagegen vorgehen, aber anders als bei den früheren Kampagnen. „Die Krillfischer verletzen keine Gesetze“, sagt Peter Hammarstedt. „Deshalb brauchen wir eine andere Strategie: Wir müssen die Gesetze ändern.“
Wir müssen die Gesetze ändern.
Peter Hammarstedt
Erste kleine Erfolge
Dass die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) 2023 beschlossen hat, die Fangquote für Krill in der Antarktis nicht zu erhöhen, verbucht Sea Shepherd bereits als ersten kleinen Erfolg ihrer Kampagne. Für Peter Hammarstedt stehen die nächsten Schritte auch schon fest: „Wir müssen dafür sorgen, dass Meeresschutzgebiete eingerichtet werden.“ Denn wenn ein Trawler in einem solchen Schutzgebiet fischen würde, hätte man wieder eine rechtliche Grundlage, um gegen ihn vorzugehen.
Wenn über Meeresschutzgebiete diskutiert wird, sitzt Sea Shepherd also mittlerweile mit am Tisch. Doch nach wie vor ist es ihnen wichtig, vor Ort aktiv zu sein und zu dokumentieren, was im Südpolarmeer passiert.
„Es gibt viele Gruppen und Länder, die sich für Schutzmaßnahmen aussprechen“, sagt Peter Hammarstedt, „aber sie brauchen Bilder, um verständlich zu machen, warum man diesen Ort schützen muss. Wir können dabei eine wichtige Unterstützerrolle einnehmen.“
Der Film „The Return to Antarctica“ ist also nur eines von vielen Puzzleteilen für den Schutz der Antarktis.